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Ich bin dann mal offline

"Challenge!" ruft mein Kollege mir entgegen. "Lass uns digital detoxen! Ab heute 18 Uhr bis morgen 9 Uhr! Bist du dabei?" Lesen Sie, wie ich 15 Stunden ohne Smartphone verbracht habe.

Ich bin ein bisschen überrumpelt, stimme dann aber doch zu. Sich aus seiner Komfortzone zu bewegen, hat noch nie jemandem geschadet. Schnell noch ein paar Leute informieren, damit keiner denkt, ich sei tot. Um 18 Uhr sind meine beiden Smartphones (eins privat, eins beruflich) aus. Kalter Entzug. Kein Spotify auf dem Nachhauseweg. Kein WhatsApp nach dem Absteigen vom Fahrrad. Stattdessen: Die Leute beobachten und Bahngesprächen lauschen. Mir fällt schnell auf, wie süchtig ich nach WhatsApp-Nachrichten und sinnlosem facebooken und instagrammen geworden bin! Wie sehr ich mein Leben in Hashtags und Storys denke. Wie viel Angst ich habe, etwas zu verpassen, wenn ich nicht auf mein Smartphone schaue.

Wie haben wir jemals ohne Smartphone gelebt?

Die ersten Smartphones kamen vor knapp elf Jahren auf den deutschen Markt. Ich war diesbezüglich ein Spätzünder und kaufte mir mein erstes im Jahr 2013. Vorher haben mich die Leute, die ständig an ihrem Smartphone hingen total genervt. Schnell wurde ich eine von den sogenannten "Smombies" (= Smartphone Zombies). An vielen Tagen ist mein Mobiltelefon das erste und letzte, worauf ich meine Aufmerksamkeit lenke. Es ist mein Wecker, durch die Anruffunktion, WhatsApp, Skype, Facebook & Co. zur Außenwelt, meine Kamera, mein Unterhaltungsgerät (Musik, Lesen, Spielen etc.), mein Fitnesscoach, mein Kochbuch, mein Fahrplan, meine Zeitung. Wie haben die Menschen jemals ohne Smartphone gelebt? Im Schnitt, so habe ich ermittelt, nehme ich mein Smartphone fast 150-mal (!) pro Tag in die Hand und verbringe drei bis vier Stunden (!) damit, auf den kleinen Bildschirm zu glotzen. Das Handy auszupacken ist zum Reflex geworden – in der Warteschlange, in der Bahn, sogar beim Essen oder wenn ich mitten in der Nacht wach werde. Langeweile, Einsamkeit oder Stress wegzudaddeln ist gleich der erste Impuls.

Stress lass nach

Die ersten Stunden ohne aufs Smartphone zu schauen sind ungewohnt. Aber ich merke, wie der Stress von mir abfällt: Ich fühle mich entschleunigt. Es fühlt sich entspannend an, für eine Weile nicht auf Nachrichten zu reagieren und up-to-date zu sein. Ich muss mein Essen, meinen Nachhauseweg, mein Outfit nicht fotografieren und nach Likes heischend ausstellen. Ich muss mich nicht mit den digitalen Profilen der anderen vergleichen. Um es klar zu stellen: All das muss ich grundsätzlich nicht. Und mir ist schon klar, dass die Online-Welt nicht zwangsläufig eine Abbildung der echten ist, dass dort viel gefiltert und geschönt wird. Aber irgendwie lasse ich mich doch wahnsinnig schnell in diesen Strudel hineinziehen. Und bemerke es meist überhaupt nicht. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Challenge ist für mich: Ich kann mit einem Klick auf den Aus-Knopf meine Autonomie wiedergewinnen, Anspannung minimieren und das Mehr-im-Moment-Sein (auch als Achtsamkeit bekannt) fördern.

Manchmal muss man sich zu seinem Glück zwingen

Ich stelle mir das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit einen ganz normalen Wecker. Morgens bin ich fitter, weil ich vor dem Einschlafen nicht noch eine Stunde durch meinen Newsfeed gescrollt habe. Den Abend habe ich dazu genutzt, eine Zeitschrift ohne jegliche Unterbrechung zu durchzulesen. Morgens bin ich früher auf der Arbeit, weil auch das morgendliche Scrollen weggefallen ist. Statt Musik auf den Ohren, lausche ich beim Radfahren durch den Tiergarten dem Sommerwind. Klingt kitschig. Aber auch ein bisschen nach Urlaub. Digitalurlaub. Als ich um 9.07 Uhr meine Smartphones wieder einschalte stelle ich fest: Ich habe überhaupt nichts verpasst.

(EF)

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