Rückenschmerzen
Vier von zehn Deutschen leiden unter anhaltenden Rückenschmerzen. Michael Richter, Leiter der Physiotherapie am Rückenzentrum in Hamburg, plädiert für einen ganzheitlichen Ansatz bei der Therapie von Rückenproblemen.
- Sitzen soll das neue Rauchen sein: Ist das nicht ein wenig übertrieben?
Wer den ganzen Tag am Arbeitsplatz sitzt, im Auto nach Hause fährt und dann abends auf dem Sofa vor dem Fernseher wieder sitzt, der unterfordert sein Herz-Kreislauf-System und den Bewegungsapparat. Das kann zu Beschwerden führen. Wir sitzen zu viel und bewegen uns zu wenig.
- Spielen bei Rückenschmerzen auch psychische Probleme wie Angst und Stress eine Rolle?
Ärger im Job oder in der Beziehung, Sorge um Kinder oder Eltern – all das kann Rückenschmerzen auslösen oder verstärken. Ängste können Schmerzen sogar chronifizieren: Wenn der Rücken zwickt, befürchten viele, dass es bleibende Schäden gibt und der Schmerz nie wieder weggeht. Dann lauschen sie ständig in sich hinein und bewegen sich weniger – was die Beschwerden wiederum verstärkt. Grundsätzlich sind über 90 Prozent aller Rückenleiden unspezifisch, also ohne eindeutige Krankheitsursache.
- Könnte man diese Ängste durch eine MRT-Aufnahme der Wirbelsäule entkräften?
Die Ergebnisse aus dem MRT für die Schmerzen verantwortlich zu machen, ist viel zu simpel, denn nur selten stimmen sie mit dem überein, was der Patient spürt. Schon ab dem 20. Lebensjahr zeigen sich an der Wirbelsäule nun einmal die Zeichen der Zeit. Die Bilder aus dem MRT machen vielen Patienten Angst, weil sie ihnen nicht richtig erklärt werden. Viele Veränderungen sind altersentsprechend und nicht bedrohlich – das ist eine Botschaft, die Ärzte und Therapeuten ihren Patienten viel zu selten mit auf den Weg geben.
- Warum wird denn so häufig am Rücken operiert?
Ich höre viele Geschichten von Patienten, deren Versorgung kolossal gescheitert ist. Da sind erste Maßnahmen wie Spritzen oder Massagen ohne Erfolg gewesen und es folgte die Bildgebung und gleich im Anschluss eine sinnlose OP. Deshalb ist es so wichtig, eine Zweitmeinung einzuholen – am besten von einem interdisziplinären Team. Bei uns im Rückenzentrum sind ein Arzt, ein Psychotherapeut und ein Physiotherapeut involviert. Gerade die Psychotherapie ist ein entscheidender Bestandteil. Nicht um alles zu psychologisieren, sondern um ein Gespür für das Lebensumfeld zu bekommen, in dem sich der Patient bewegt.
- Ihr Tipp: Welches ist das beste Mittel gegen Rückenschmerzen?
Bewegung, Bewegung, Bewegung – auch wenn’s mal wehtut. Am besten sind Bewegungen, die ein gesundes Verhältnis zwischen Kraft, Beweglichkeit und Koordination herstellen. Der Patient soll sich fordern, aber nicht überfordern. Das können Kraftübungen im Studio sein oder Gymnastik zu Hause. Ebenfalls hilfreich ist die Fähigkeit, entspannen zu können, zu lernen, die schmerzende Region des Rückens aus dem Kopf zu kriegen. Wissenschaftlich belegt ist die Wirksamkeit von autogenem Training und progressiver Muskelentspannung.
- Raten Sie von bestimmten Sportarten ab?
Nein, es gibt keine Sportart, die dem Rücken schadet. Ganz im Gegenteil: Solange sie achtsam betrieben wird und der Patient Spaß daran hat, ist jede Sportart gut für den Rücken und den gesamten Körper.
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