Wenn Angst zur Last wird: Angststörung erkennen, verstehen und behandeln
Angst ist vollkommen normal – und oft sogar hilfreich. Doch wenn sie anfängt den Alltag zu bestimmen, kann eine Angststörung dahinterstecken. Hier erfährst du, was Angststörungen sind, wie sie entstehen, welche Formen es gibt und wie du wirksam Hilfe findest.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Angst eigentlich?
- Was passiert im Körper, wenn wir Angst haben?
- Angst, Nervosität oder Panik – wo ist der Unterschied?
- Warum ist Angst wichtig?
- Wenn Angst zur Störung wird: Was ist eine Angststörung?
- Welche Arten von Angststörungen gibt es?
- Ursachen und Auslöser von Angststörungen
- Symptome: So zeigt sich eine Angststörung
- Diagnose: Wann spricht man von einer Angststörung?
- Angst: Wann solltest du dir Hilfe holen?
- Behandlung: Was hilft bei Angststörungen?
- Leben mit einer Angststörung: Was du im Alltag tun kannst
- Fazit: Angststörungen sind behandelbar
- FAQ: Häufige Fragen zum Thema Angststörung
- Weiterführende Informationen und Quellen
Angststörungen sind weit verbreitet und umfassen unterschiedliche Formen, darunter beispielsweise Phobien. Sie zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und betreffen Menschen aller Altersgruppen.
Angststörungen sollten ernst genommen werden, aber meistens sind sie gut behandelbar. Je früher du erkennst, was dahintersteckt, desto besser kannst du dir helfen lassen oder andere unterstützen.
Was ist Angst eigentlich?
Angst ist eines der grundlegendsten Gefühle des Menschen. Sie gehört zu den wichtigsten Schutzmechanismen unseres Körpers und hilft uns, in gefährlichen Situationen schnell zu reagieren.
Sobald wir eine Bedrohung wahrnehmen, versetzt die Angst den Körper in Alarmbereitschaft und bereitet uns auf eine Reaktion vor – ein hochkomplexes System, das uns seit Urzeiten das Überleben sichert.
Was passiert im Körper, wenn wir Angst haben?
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Auslöser: Irgendetwas stimmt nicht
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Angst entsteht, wenn das Gehirn etwas als bedrohlich einstuft. Der Auslöser dafür kann klar und wahrnehmbar sein, wie ein lautes Geräusch oder eine riskante Situation. Manchmal reicht aber auch ein Gedanke, eine Erinnerung oder eine unbewusste Verknüpfung aus, um das Alarmsystem unseres Körpers zu aktivieren.
Wichtig: Angst muss nicht logisch oder objektiv begründet sein. Was Menschen als beängstigend wahrnehmen, ist sehr individuell.
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Die Amygdala: Der innere Gefahrenmelder
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Wenn wir Angst empfinden, spielt die Amygdala eine wichtige Rolle. Sie ist Teil des emotionalen Zentrums im Gehirn und hilft uns dabei, Situationen emotional einzuordnen – ob Freude, Wut oder eben Angst.
Du kannst sie dir wie eine Art inneres Frühwarnsystem vorstellen. Die Amygdala prüft blitzschnell, ob eine Situation potenziell gefährlich sein könnte. Dabei bezieht sie sich auf deine Erfahrungen, Erinnerungen und das, was sie gerade wahrnimmt.
Sobald sie etwas als bedrohlich einstuft, leitet sie die nächsten Schritte der Angstreaktion ein. Oft passiert das noch bevor du bewusst begreifst, warum du dich gerade unwohl fühlst.
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Stressreaktion: Alarmbereitschaft im ganzen Körper
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Sobald die Amygdala Alarm schlägt, wird im Körper eine Kette an Reaktionen ausgelöst. Das geschieht blitzschnell und vollkommen automatisch.
Sie sendet ein Signal an den Hypothalamus. Das ist eine Art Schaltzentrale, die viele lebenswichtige Körperfunktionen steuert.
Von dort wird das vegetative Nervensystem aktiviert – also der Teil deines Nervensystems, der zum Beispiel Herzschlag, Atmung und Verdauung reguliert, ohne dass du es bewusst steuerst.
Gleichzeitig erhalten die Nebennieren (kleine Hormondrüsen über den Nieren) das Signal, die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin auszuschütten.
Diese Hormone bringen deinen Körper blitzschnell in Alarmbereitschaft: Herzschlag und Atmung steigen, deine Muskeln spannen sich an, und du bist bereit zu handeln.
Erfahre hier, was bei der Bewältigung von Stress hilft.
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Für alles bereit: Fight, Flight, Freeze
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Alle Körperfunktionen, die in diesem Moment nicht überlebenswichtig sind, wie die Verdauung oder kreatives Denken, werden vorübergehend zurückgefahren. Stattdessen bekommst du einen Energieschub, um möglichst schnell zu reagieren. Man spricht dabei auch vom „Kampf-oder-Flucht-Modus“.
Aber es gibt noch eine weitere Reaktion: den „Freeze“-Zustand. Manche Menschen reagieren auf Angst nicht mit einer Reaktion, sondern mit völliger Blockade.
Auch das ist ein uraltes Schutzprogramm, das in der Natur zum Überleben beitragen konnte. Wer still hält, wird vielleicht übersehen. Auch zahlreiche Tierarten nutzen dieses Verhalten, um sich vor Angreifern zu schützen.
Erfahre hier mehr darüber, wie du Ängste überwindest.
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Cortisol: Der Langstreckenhelfer
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Wenn die beängstigende Situation länger anhält, schüttet dein Körper Cortisol aus. Dieses Hormon sorgt dafür, dass du über längere Zeit wachsam und leistungsfähig bleibst.
Cortisol ist hilfreich, wenn du unter Dauerstress stehst. Wird Cortisol aber über längere Zeit nicht abgebaut, kann es den Körper belasten. Schlafstörungen, Erschöpfung oder Konzentrationsprobleme sind mögliche Folgen.
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Wenn die Gefahr vorüber ist: So fährt der Körper wieder runter
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Sobald dein Gehirn erkennt, dass keine akute Bedrohung mehr besteht, wird das Alarmsystem deaktiviert. Das dauert oft deutlich länger als die Angstreaktion selbst.
Die Produktion von Stresshormonen wird gestoppt, dein Körper beginnt, in den Ruhemodus zurückzukehren.
- Der Herzschlag wird langsamer, der Blutdruck sinkt.
- Die Atmung vertieft sich wieder, wird ruhiger und gleichmäßiger.
- Die Muskelspannung löst sich, Hände und Schultern entspannen sich – manchmal spürbar durch ein Zittern oder Gähnen.
- Die Verdauung wird wieder aktiviert, denn jetzt hat der Körper wieder „Kapazitäten“, um sich um den Alltag zu kümmern.
- Im Gehirn sinkt der Pegel der Stresshormone.
- Beruhigende Botenstoffe wie Serotonin oder Oxytocin werden ausgeschüttet.
Nach einer starken Angstreaktion fühlt man sich oft erschöpft, denn sie kostet viel Kraft und Energie. Umso wichtiger ist es, dem Körper danach bewusst Ruhe und Erholung zu gönnen.
Angst, Nervosität oder Panik – wo ist der Unterschied?
Faktor | Nervosität | Angst | Panik |
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Intensität | Leicht bis mäßig | Deutlich spürbar | Sehr stark, überwältigend |
Dauer | Kurzfristig | Anhaltend oder wiederkehrend | Meist plötzlich und kurz, aber sehr intensiv |
Auslöser | Konkrete Situationen wie Prüfungen, Vorträge oder als Symptom von Angst | Wahrgenommene Bedrohungen, reale oder gedankliche | Häufig ohne erkennbaren Auslöser |
Körperliche Reaktion | Leichte Anspannung, schneller Herzschlag, evtl. Schwitzen | Stressreaktion mit Herzklopfen, Unruhe, Muskelanspannung | Herzrasen, Atemnot, Schwindel, Zittern, Gefühl von Kontrollverlust |
Emotionale Wirkung | Unruhe, leichte Unsicherheit | Sorge, Furcht, innere Anspannung | Intensive Angst, Gefühl des Überwältigtseins, häufig Todesangst |
Im Alltag | Kann motivieren und die Konzentration steigern | Kann Schutz bieten, aber auch einschränkend wirken | Stark einschränkend, kann das Denken und Handeln massiv blockieren |
Beispiele | Lampenfieber vor einem Auftritt | Angst vor Jobverlust oder finanzieller Unsicherheit | Bei einer gefühlten Bedrohung |
Warum ist Angst wichtig?
Auch wenn sich Angst oft unangenehm anfühlt, erfüllt sie eine wichtige Funktion. Ohne Angst würden wir unvorsichtig handeln, Risiken übersehen oder uns selbst in Gefahr bringen.
Angst macht uns aufmerksam, wachsam und achtsam. Deshalb dürfen wir hin uns wieder auch einen Moment innehalten und sagen: „Danke, lieber Körper, danke, liebes Gehirn, dass ihr auf mich aufpasst.“
Angst ist nicht unser Feind, sondern ein Teil von uns, der uns schützen will. Entscheidend ist, dass sie im Gleichgewicht bleibt und nicht unser Leben bestimmt.
Wenn Angst zur Störung wird: Was ist eine Angststörung?
Problematisch wird Angst, wenn sie unverhältnismäßig stark ist, länger anhält als die eigentliche Gefahrensituation oder häufig ohne konkrete „Bedrohung“ von außen auftritt. Dann spricht man von einer Angststörung.
Angststörungen sind psychische Erkrankungen, die das Leben der Betroffenen oft erheblich beeinträchtigen – im Beruf, im Sozialleben und im allgemeinen Wohlbefinden.
Sie können sich schleichend entwickeln oder plötzlich und überwältigend auftreten, zum Beispiel wie bei einer Panikattacke. Die Beschwerden betreffen nicht nur den Körper, sondern auch Gedanken, Gefühle und Verhalten.
Es gibt verschiedene Formen von Angststörungen, die sich in ihren Ausprägungen und Auslösern unterscheiden:
Welche Arten von Angststörungen gibt es?
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Generalisierte Angststörung (GAS)
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Menschen mit einer generalisierten Angststörung sind ständig in Sorge, oft ohne einen konkreten Anlass. Ihre Gedanken kreisen unaufhörlich um Themen wie Gesundheit, Familie, Arbeit oder Zukunft und sie haben häufig das Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Diese Angst ist allgegenwärtig, selbst in eigentlich entspannten Momenten.
Die generalisierte Angststörung ist eine der häufigsten Formen von Angststörungen, etwa 3 Prozent der Erwachsenen sind jährlich betroffen, Frauen deutlich häufiger als Männer.
Sie beginnt oft im Erwachsenenalter, kann aber auch früher auftreten. Häufig verläuft sie in Phasen, bei anhaltendem Stress oder auch in besonders ruhigen Abschnitten.
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Soziale Angststörung (soziale Phobie)
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Etwa 13 Prozent aller Menschen erleben im Laufe ihres Lebens eine Phase mit sozialer Angststörung. Jährlich sind etwa 9 Prozent der Frauen und 7 Prozent der Männer betroffen.
Soziale Angststörungen äußern sich durch eine intensive und oft lähmende Angst davor, im Mittelpunkt zu stehen, negativ bewertet oder bloßgestellt zu werden. Manche Betroffene erleben diese Angst nur in bestimmten, andere in fast allen sozialen Situationen.
Für die Betroffenen können sich selbst alltägliche Situationen, wie zum Beispiel ein Gespräch im Kreis von Kolleginnen und Kollegen, ein Anruf oder ein Restaurantbesuch, bedrohlich anfühlen und zur Belastungsprobe werden. Manche Menschen haben sogar Angst, die Wohnung zu verlassen, um den Briefkasten zu leeren.
Besonders belastend: die Angst vor der Angst. Menschen mit sozialer Angststörung machen sich häufig Sorgen darüber, dass ihre Nervosität auffällt – etwa durch Schwitzen, Zittern, Erröten, unsichere Stimme oder das Gefühl, keine passenden Worte zu finden.
Soziale Ängste beginnen oft schon in der Kindheit oder Jugend, etwa bei besonders schüchternen Kindern. Andere entwickeln die Symptome erst nach der Pubertät.
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Spezifische Phobien
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Diese Art der Angststörung ist auf ganz bestimmte Auslöser beschränkt, zum Beispiel Spinnen, Hunde, Spritzen, Flugzeuge, Höhe oder enge Räume.
Der Kontakt mit dem Auslöser, oder auch nur der Gedanke daran, löst starke Angst aus und kann bis zu einer Panikattacke führen. Oft zeigen sich auch körperlichen Reaktionen.
Betroffene wissen meist, dass ihre Angst eigentlich unbegründet ist, können sie aber dennoch nicht kontrollieren.
Um der gefürchteten Situation aus dem Weg zu gehen, legen Betroffene sie meist ein starkes Vermeidungsverhalten an den Tag. Das schränkt ihre Lebensqualität oft stark ein.
Spezifische Phobien sind weit verbreitet: Etwa 8 Prozent der Frauen und 3 Prozent der Männer sind jährlich betroffen. Es gibt über 500 eingetragene Phobien. Die meisten davon sind sehr selten.
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Panikstörung
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Eine Panikstörung ist gekennzeichnet durch wiederkehrende Panikattacken. Das sind intensive Angstschübe, die plötzlich auftreten und sich schnell steigern. Sie kommen wie aus dem Nichts, dauern oft nur wenige Minuten, wirken aber meist wie ein körperlicher Zusammenbruch.
Viele Menschen befürchten während einer Attacke, einen Herzinfarkt zu bekommen oder ohnmächtig zu werden. Die ständige Angst vor der nächsten Attacke beeinträchtigt den Alltag der Betroffenen oft enorm.
Panikattacken sind keine Seltenheit. Rund 11 Prozent der Erwachsenen erleben mindestens einmal im Jahr eine solche Episode. Bei den meisten klingt die Angst wieder ab, ohne langfristige Folgen.
Wenn jedoch die Angst vor einem erneuten Anfall überhand nimmt und das Verhalten danach ausgerichtet wird, spricht man von einer Panikstörung. Betroffene meiden dann bestimmte Orte, Situationen oder Aktivitäten, aus Sorge, dort wieder von einer Attacke überfallen zu werden.
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Agoraphobie
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Agoraphobie bedeutet übersetzt „Angst vor dem Marktplatz“. Sie beschreibt die Furcht vor öffentlichen Orten oder Situationen, die man im Notfall nicht schnell verlassen könnte. Dazu gehören Menschenmengen, öffentliche Verkehrsmittel oder weitläufige Plätze.
Typisch für Agoraphobie ist nicht nur die Angst selbst, sondern auch die Erwartung: „Was, wenn ich hier eine Panikattacke bekomme und niemand helfen kann?“
Manche Betroffene entwickeln Agoraphobie nach einer oder mehreren Panikattacken in genau solchen Situationen. Andere erleben keine Panikattacken, spüren aber dennoch eine stetige Angst oder Unruhe.
Etwa 2 Prozent der Menschen leiden jährlich unter Agoraphobie. Die Störung beginnt oft im Jugendalter oder jungen Erwachsenenalter, kann aber auch später auftreten. In rund 30 bis 50 Prozent der Fälle tritt sie gemeinsam mit einer Panikstörung auf.
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Trennungsangst
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Trennungsangst ist vor allem bei Kindern bekannt, kann aber auch im Jugend- oder Erwachsenenalter auftreten. Das ist allerdings eher selten.
Betroffene verspüren große Angst, von nahestehenden Personen getrennt zu werden etwa durch räumliche Distanz, Krankheit oder Verlust.
Schon der Gedanke daran, allein zu sein oder geliebte Menschen nicht erreichen zu können, kann starken Stress, körperliche Symptome oder sogar Panik auslösen.
Auslöser für Trennungsangst sind oft belastende Ereignisse wie ein Umzug, Schulwechsel oder der Verlust eines geliebten Menschen. Auch genetische Faktoren spielen möglicherweise eine Rolle.
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Selektiver Mutismus
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Beim selektiven Mutismus sprechen Betroffene in bestimmten Situationen oder mit bestimmten Personen nicht, obwohl sie grundsätzlich sprechen können. Dieser Rückzug ist keine Trotzreaktion, sondern Ausdruck tiefer sozialer Unsicherheit oder Angst.
Besonders bei Kindern zeigt sich das oft im Kindergarten oder in der Schule. Zu Hause reden sie ganz normal, in fremden oder als bedrohlich empfundenen Umgebungen hingegen, bleiben sie stumm.
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Andere psychische Erkrankungen mit ausgeprägter Angst
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Nicht nur bei „klassischen“ Angststörungen leiden Betroffene unter starken Ängsten. Auch bei anderen psychischen Belastungen kann Angst eine zentrale Rolle spielen:
Akute Belastungsreaktion
Bei einer akuten Belastungsreaktion, nach einem Schock oder Trauma, wie einem Unfall oder Verlust eines nahestehenden Menschen, tritt vorübergehend starke Angst auf.
Betroffene erleben intensive Angst, Nervosität oder andere Symptome. Diese sind aber zeitlich begrenzt, meist klingen sie innerhalb weniger Tage oder Wochen wieder ab.
Anpassungsstörung
Bei einer Anpassungsstörung entsteht Angst im Zusammenhang mit belastenden Lebensereignissen, wie Trennung, Jobverlust oder Krankheit.
Eine Anpassungsstörung zeigt sich durch anhaltende Gefühle von Angst, Überforderung oder gedrückter Stimmung. Die Betroffenen erleben oft das Gefühl, nicht mehr „funktionieren“ zu können.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Besonders schwerwiegend ist die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Sie ist eine besonders schwere Folge von traumatischen Ereignissen wie Gewalt, Unfällen oder Kriegserlebnissen.
Betroffene leiden unter starken körperlichen und geistigen Angstsymptomen, selbst noch Jahre nach den traumatischen Erlebnissen.
Andere spezifische Angststörungen
Manche Menschen leiden unter ausgeprägter Angst, die sich nicht eindeutig einer bestimmten Kategorie zuordnen lässt. Auch wenn die Symptome nicht alle formalen Kriterien einer diagnostizierbaren Angststörung erfüllen, sind sie dennoch belastend. Wichtig ist, dass auch diese Ängste ernst genommen und behandelt werden können.
Ursachen und Auslöser von Angststörungen
Auch wenn Angststörungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen gehören, sind ihre Ursachen bis heute nicht vollständig geklärt. Sicher ist: in den meisten Fällen entsteht eine Angststörung durch ein Zusammenspiel verschiedener biologischer, psychischer und sozialer Einflüsse.
Einige dieser Faktoren können die Entstehung begünstigen:
Genetische Veranlagung und familiäre Prägung
In manchen Familien treten Angststörungen gehäuft auf. Fachleute vermuten, dass eine genetische Empfindlichkeit dafür vererbt werden kann.
Gleichzeitig spielt auch die Erziehung eine Rolle: Wer in einem Umfeld aufwächst, in dem Ängste einen großen Raum einnehmen, kann diese Muster übernehmen, oft ganz unbewusst.
Persönlichkeitsmerkmale
Menschen, die besonders sensibel, gewissenhaft oder perfektionistisch sind, haben ein erhöhtes Risiko für Angststörungen. Auch wer schnell überfordert ist, stark mitfühlt oder sich selbst unter Druck setzt, reagiert oft empfindlicher auf Stress, was auf Dauer zu Ängsten führen kann.
Traumatische Erlebnisse
Schwere Lebensereignisse wie der Verlust eines nahestehenden Menschen, eine Trennung, Krankheit, Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit hinterlassen oft tiefe seelische Spuren, die Auslöser für Angststörungen sein können.
Psychische Belastungen und Stress
Auch akute oder chronische Überforderung im Alltag, etwa durch Jobstress, finanzielle Sorgen, dauerhaften Leistungsdruck, ungelöste Konflikte oder ein belastendes Familienumfeld, können den Körper in Alarmbereitschaft halten und das Risiko für eine Angststörung erhöhen.
Schwere und lebensbedrohliche Erkrankungen
Menschen mit schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen erleben verständlicherweise Ängste, zum Beispiel vor Schmerzen, Kontrollverlust oder dem Tod. Auch solche Fälle können sich zu einer behandlungsbedürftigen Angststörung entwickeln.
Auch körperliche Erkrankungen können Angstgefühle auslösen oder verstärken. Dazu gehören:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zum Beispiel Herzrhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz
- Hormonstörungen, etwa eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), Nebennierenstörungen oder hormonproduzierende Tumoren
- Lungenerkrankungen, wie Asthma oder die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
- Selbst Fieber kann in manchen Fällen zu innerer Unruhe und Angst führen.
Gerade bei plötzlichen oder langanhaltenden Angstsymptomen sollte deshalb auch eine medizinische Ursache ausgeschlossen werden.
Substanzen und Medikamente
Auch bestimmte Substanzen können Angstgefühle auslösen oder verstärken. Dazu zählen unter anderem:
- Alkohol, insbesondere im Entzug (erfahre hier mehr über Alkoholsucht und was man dagegen tun kann)
- Koffein
- Drogen, wie zum Beispiel Cannabis, Kokain, MDMA (Ecstasy)
- Kortikosteroide, die zum Beispiel bei entzündlichen Erkrankungen verschrieben werden oder auch in rezeptfreien Medikamenten wie Nasensprays oder Appetitzüglern enthalten sind
- Entzug von Beruhigungsmitteln, zum Beispiel Benzodiazepinen
Symptome: So zeigt sich eine Angststörung
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Körperliche Anzeichen
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- Herzklopfen und Herzrasen: Das Herz schlägt spürbar schneller, als ob es aus der Brust springen wollte.
- Kurzatmigkeit oder ein Engegefühl in der Brust: Viele Betroffene beschreiben das Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können oder keine Luft zu bekommen.
- Zittern, Schweißausbrüche und Hitze- oder Kältewallungen sind typische Reaktionen auf inneren Stress.
- Schwindel und Benommenheit: In besonders starken Momenten kann es sogar zu kurzzeitiger Ohnmacht kommen.
- Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder ein flaues Gefühl im Magen sind häufig.
- Muskelverspannungen und Brustschmerzen: Die ständige Anspannung kann körperlich spürbar werden.
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Emotionale und kognitive Symptome
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- Ständige Sorgen, Grübeleien und negative Gedankenspiralen: Die Gedanken kreisen immer wieder um Ängste und Worst-Case-Szenarien.
- Konzentrationsprobleme: Wenn die Gedanken ständig um mögliche Gefahren oder Sorgen kreisen, fällt es schwer, sich auf Aufgaben oder Gespräche zu fokussieren.
- Schlafstörungen: Entweder fällt das Einschlafen schwer, oder die Betroffenen wachen nachts mit kreisenden Gedanken auf. Lies hier, wie du besser schlafen kannst.
- Reizbarkeit: Selbst kleine Dinge führen zu Überforderung oder emotionaler Anspannung.
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Verhalten und soziale Auswirkungen
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- Vermeidung: Viele Menschen mit Angststörungen meiden bestimmte Orte, Menschen oder Situationen, aus Angst vor Kontrollverlust und unangenehmen Gefühlen.
- Sozialer Rückzug: Treffen mit Freunden, Familienfeiern oder sogar der Weg zur Arbeit werden zur Herausforderung. Erfahre hier, wie du Antriebslosigkeit überwindest.
- Einsamkeit: Wer aus Angst den Kontakt zu anderen meidet, fühlt sich oft mit der eigenen Situation allein. Das Gefühl, „anders“ zu sein oder „nicht normal zu funktionieren“, führt nicht selten zu Scham und kann verhindern, dass Betroffene sich Hilfe holen.
- Kompensatorisches Verhalten: Manche Betroffene versuchen, ihre Angst durch feste Rituale, übermäßigen Sport oder die starke Bindung an Menschen in den Griff zu bekommen. Diese Verhaltensweisen geben kurzfristig Sicherheit, verstärken langfristig aber die Abhängigkeit und können zu zwanghaften Mustern führen.
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Begleiterkrankungen
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Nicht selten entwickeln Betroffene auch Begleiterkrankungen wie Depressionen oder greifen aus Überforderung zu Alkohol oder Beruhigungsmitteln, um ihre Ängste zu dämpfen.
Diagnose: Wann spricht man von einer Angststörung?
Die Diagnose einer Angststörung ist nicht immer einfach, denn Angst ist individuell und hängt stark vom persönlichen Erleben ab.
Ärztinnen und Ärzte sowie und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten orientieren sich bei der Diagnose an klaren Kriterien:
- Die Angst ist sehr belastend.
- Sie schränkt den Alltag ein.
- Sie tritt regelmäßig oder über längere Zeit auf.
Psychologische Anamnese
Meist finde erst ein ausführliches Gespräch statt. Oft werden auch standardisierte Fragebögen oder diagnostische Kriterien herangezogen. Dabei geht es nicht nur um die Angst selbst, sondern auch um mögliche Begleiterkrankungen. Auch der familiäre Hintergrund kann eine Rolle spielen, da Angststörungen häufig von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden.
Körperliche Anamnese
Eine körperliche Untersuchung, Bluttests oder andere medizinische Verfahren helfen dabei, organische Auslöser, wie Krankheiten, auszuschließen.
Angst: Wann solltest du dir Hilfe holen?
Angst gehört zum Leben, doch wenn sie überhandnimmt, dich einengt oder deinen Alltag Leben bestimmt, ist es Zeit, Unterstützung zu suchen.
Du solltest dir Hilfe holen, wenn:
- du das Gefühl hast, die Kontrolle über deine Ängste zu verlieren,
- du dich wegen deiner Angst immer häufiger zurückziehst oder Situationen meidest,
- dein Alltag – zum Beispiel Arbeit, Schule, Familie oder Freundschaften – darunter leidet,
- du unter körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Schlafproblemen oder Atemnot leidest oder
- du dich hilflos fühlst oder keine Wege mehr siehst, selbst aus der Angstspirale herauszukommen.
Wichtig: Du musst damit nicht allein zurechtkommen. Es gibt viele Möglichkeiten, Hilfe zu finden – anonym, kostenfrei und auf Augenhöhe.
Erste Anlaufstellen und Unterstützungsmöglichkeiten:
- Hausärztin oder Hausarzt: Sie sind oft die erste Anlaufstelle und können dich an passende Fachstellen weitervermitteln. Auch Praxen für Neurologie sind ein guter erster Anlaufpunkt.
- Psychotherapeutische Praxen: Dort bekommst du eine fundierte Diagnose und, wenn nötig, eine individuelle Therapie.
- Beratungsstellen: Zum Beispiel die Telefonseelsorge ist kostenfrei und rund um die Uhr erreichbar unter 0800 111 0 111 erreichbar. Sie bietet einfühlsam und anonym Unterstützung.
- Angebote der mkk zur psychischen Gesundheit: Die mkk unterstützt dich mit verschiedenen Programmen, zum Beispiel bei der Therapieplatzsuche.
Scheu dich nicht, den ersten Schritt zu machen. Hilfe zu suchen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein mutiger Schritt in Richtung Heilung.
Wenn ein geliebter Mensch betroffen ist
Du kennst jemanden, der unter starker Angst leidet? Das kann auch für Angehörige belastend sein und oft fühlt man sich hilflos. Wichtig ist: nimm deine Ängste ernst. Höre zu, sei da, ohne zu drängen. Ermutige die betroffene Person sich Hilfe zu holen.
Was bei Angst im Körper passiert

Behandlung: Was hilft bei Angststörungen?
Angststörungen sind gut behandelbar – vorausgesetzt, sie werden erkannt und ernst genommen. Die Wahl der passenden Behandlung richtet sich immer nach der Art der Angststörung, dem Schweregrad der Symptome und möglichen Begleiterkrankungen.
Ziel ist es, die Symptome zu lindern, den Alltag besser bewältigen zu können und die Lebensqualität zu verbessern. In vielen Fällen hat sich die Kombination aus Psychotherapie, Medikamenten und alltagsnaher Unterstützung als erfolgreich erwiesen.
Sorgfältige Diagnose als Grundlage
Bevor mit einer Therapie begonnen wird, ist eine gründliche medizinische Abklärung wichtig. Denn nicht immer liegt die Ursache allein in der Psyche. Wenn körperliche Erkrankungen Angstgefühle auslösen, ist es entscheidend, zunächst die Ursache anzugehen.
Psychotherapie: Ängste verstehen und verändern
Psychotherapie ist ein zentraler Baustein bei der Behandlung von Angststörungen. Besonders bewährt hat sich die kognitive Verhaltenstherapie. Sie hilft dabei, die eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensmuster besser zu verstehen und zu verändern.
Belastende Denkmuster, wie „Ich schaffe das sowieso nicht“ oder „Etwas Schlimmes wird passieren“, werden dabei hinterfragt und durch realistischere, hilfreiche Gedanken ersetzt.
Wenn Ängste mit belastenden Kindheitserfahrungen oder unbewussten Konflikten zusammenhängen, kann eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie helfen. Sie blickt auf die Lebensgeschichte und hilft dabei, innere Muster zu erkennen und zu verändern. Besonders bei Ängsten, die durch Trauma oder frühe Bindungserfahrungen geprägt sind, kann diese Therapieform wirksam sein.
Medikamente: Unterstützung bei schweren Symptomen
Bei starken oder langanhaltenden Beschwerden werden häufig Medikamente eingesetzt um die Angst zu lindern. Die Entscheidung für eine medikamentöse Therapie wird immer gemeinsam mit einer Fachärztin oder einem Facharzt getroffen und sorgfältig begleitet. Zum Einsatz kommen zum Beispiel:
- Antidepressiva, wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), die sich auch bei Angststörungen bewährt haben.
- Benzodiazepine wie Diazepam, die angstlösend wirken, allerdings wegen ihres Abhängigkeitsrisikos nur kurzfristig angewendet werden sollten.
Ergänzende Begleitmaßnahmen
Zusätzlich zur ärztlichen oder therapeutischen Behandlung können Begleitmaßnahmen wie Struktur im Alltag, Bewegung, Entspannungstechniken oder Achtsamkeitsübungen den Heilungsprozess unterstützen.
Leben mit einer Angststörung: Was du im Alltag tun kannst
Neben professioneller Hilfe gibt es vieles, was du selbst im Alltag tun kannst, um deine Ängste zu lindern und dein Wohlbefinden zu stärken:
- Achte auf ausreichend Schlaf: Guter Schlaf hilft dem Körper, sich zu regenerieren, und unterstützt die emotionale Stabilität.
- Bewege dich regelmäßig: Ein Spaziergang an der frischen Luft, Yoga oder eine kleine Radtour: Bewegung baut Stresshormone ab und wirkt nachweislich angstlösend.
- Ernähre dich ausgewogen: Eine regelmäßige, nährstoffreiche Ernährung unterstützt dein Nervensystem und stabilisiert den Blutzuckerspiegel (Glukosespiegel), das ist wichtig für innere Ausgeglichenheit.
- Gönn dir bewusste Pausen: Kleine Auszeiten, bewusstes Nichtstun oder Achtsamkeitsübungen helfen, das Gedankenkarussell zu stoppen.
- Halte soziale Kontakte aufrecht: Auch wenn du dich zurückziehen möchtest – bleib in Verbindung. Ein vertrautes Gespräch kann Wunder wirken.
- Lerne, mit Stress umzugehen: Stress ist oft der Nährboden für Ängste. Je besser du mit Stress umgehen lernst, desto stabiler wirst du.
Fazit: Angst verstehen, statt sich von ihr beherrschen zu lassen
Angst gehört zu unserem Leben – und das ist gut so. Sie schützt uns, warnt uns und zeigt, was uns wichtig ist. Doch wenn sie übermächtig wird, kann sie zur Belastung werden.
Angststörungen sind weit verbreitet, aber sie sind behandelbar – und niemand muss damit allein bleiben. Je mehr wir über die Mechanismen der Angst wissen, desto besser können wir sie einordnen, verstehen und Wege aus ihr herausfinden.
Mit der richtigen Unterstützung, einem offenen Umgang und kleinen Schritten im Alltag ist es möglich, die Kontrolle zurückzugewinnen und wieder mehr Vertrauen, Sicherheit und Lebensfreude zu spüren.
FAQ: Häufige Fragen zum Thema Angststörung
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Was ist der Unterschied zwischen Angst und Panik?
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Angst ist meist eine andauernde Anspannung oder Sorge. Panik tritt plötzlich auf und ist sehr intensiv, aber meist von kurzer Dauer.
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Geht eine Angststörung von allein wieder weg?
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Selten. Meist braucht es gezielte Unterstützung und Strategien, um mit der Angst umzugehen.
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Wie finde ich einen Therapieplatz?
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Sprich mit deiner Hausärztin oder deinem Hausarzt oder informiere dich bei der kassenärztlichen Vereinigung. Auch die mkk unterstütz dich bei der Psychotherapieplatzsuche.
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Was kann ich tun, wenn jemand in meinem Umfeld betroffen ist?
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Zeige Verständnis, höre zu und biete Hilfe an. Dränge die Person aber nicht. Gib ihr das Gefühl, dass sie nicht allein ist.
Weiterführende Informationen und Quellen
- Generalisierte Angststörung - Diagnostik und Therapie, Bandelow, Borwin; Boerner, Reinhard J.; Kasper, Siegfried; Linden, Michael; Wittchen, Hans-Ulrich; Möller, Hans-Jürgen, Dtsch Arztebl Int 2013; 110(17): 300-1; DOI: 10.3238/arztebl.2013.0300
- Lifetime prevalence and age-of-onset distributions of mental disorders in the World Health Organization's World Mental Health Survey Initiative, Kessler RC, Angermeyer M, Anthony JC, DE Graaf R, Demyttenaere K, Gasquet I, DE Girolamo G, Gluzman S, Gureje O, Haro JM, Kawakami N, Karam A, Levinson D, Medina Mora ME, Oakley Browne MA, Posada-Villa J, Stein DJ, Adley Tsang CH, Aguilar-Gaxiola S, Alonso J, Lee S, Heeringa S, Pennell BE, Berglund P, Gruber MJ, Petukhova M, Chatterji S, Ustün TB., World Psychiatry. 2007 Oct;6(3):168-76. PMID: 18188442; PMCID: PMC2174588.
- Generalised anxiety disorder and panic disorder in adults: management – National Institute für Health and Care Exellence
- The epidemiology of anxiety disorders: prevalence and societal costs, Lépine JP., J Clin Psychiatry. 2002;63 Suppl 14:4-8.
- Cognitive-behavioral therapy for anxiety disorders: an update on the empirical evidence, Kaczkurkin AN, Foa EB., Dialogues Clin Neurosci. 2015;17(3):337-346. doi:10.31887/DCNS.2015.17.3/akaczkurkin