22.04.2025 Aus der mkk – meine krankenkasse

Magersucht bei Kindern und Jugendlichen – FIAT-Studie bietet neuen Therapieansatz

Wenn das eigene Kind immer dünner wird, Mahlzeiten meidet und Essen plötzlich zum Dauerstreitthema wird, sind Eltern oft ratlos, besorgt und fühlen sich hilflos. Anorexia nervosa, auch Magersucht genannt, ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die meist in der Kindheit oder Jugend beginnt, unbehandelt mit hohem Chronifizierungsrisiko einhergeht und lebensbedrohlich sein kann.

Eine aktuelle Metaanalyse, das heißt eine systematische Auswertung vieler Studien, belegt: Familienbasierte Therapie (FBT) verbessert nachweislich die Heilungschancen bei Kindern und Jugendlichen mit Essstörungen. In den USA und England ist sie daher bereits die empfohlene Standardtherapie für junge Menschen mit Anorexia nervosa. 

In Deutschland hingegen ist FBT noch wenig verbreitet – es mangelt an ausgebildeten Fachkräften und die FBT ist derzeit nicht über die Krankenkassen abrechenbar. Die FIAT-Studie soll das nun ändern und dazu beitragen, dass FBT hierzulande für die Betroffenen und deren Familien zugänglich wird. Für die Studie werden ab sofort Teilnehmende gesucht.

Wie viele Kinder und Jugendliche sind betroffen?


In Deutschland leiden schätzungsweise 140.000 Kinder und Jugendliche unter Essstörungen – davon ein erheblicher Teil an Anorexia nervosa. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen, doch auch bei männlichen Jugendlichen nimmt die Zahl der Erkrankungen zu. Meist beginnt die Erkrankung zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr.

Wer entwickelt eine Anorexie – und warum?


Anorexie entsteht nicht durch eine einzelne Ursache, sondern ist das Ergebnis eines Zusammenspiels mehrerer Faktoren. Nachweisliche Risikofaktoren sind: eine genetische Prädisposition, weibliches Geschlecht, das Leben in Gesellschaften mit westlichem Lebensstil und dem entsprechenden Schönheitsdruck sowie persönliche Merkmale der Betroffenen wie ein niedriger Selbstwert, hohe Leistungsansprüche und Disziplin sowie die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Wenn nun die Betroffenen eine Diät machen oder aus anderen Gründen Gewicht verlieren, besteht das Risiko, dass die Krankheit ausgelöst wird.

Welche Therapieansätze gibt es?
 

Traditionell werden Essstörungen bei schweren Verläufen stationär in spezialisierten Kliniken behandelt. Zusätzlich gibt es ambulante Angebote mit Einzel-, Gruppen- oder Familientherapie sowie ernährungstherapeutische und medizinische Begleitung.
 

Die Heilungschancen steigen erheblich, wenn die Krankheit frühzeitig erkannt und gezielt behandelt wird. Etwa 60 bis 70 Prozent der Betroffenen erreichen mit einer geeigneten Therapie eine deutliche Besserung oder vollständige Genesung. Entscheidend ist dabei, dass auch das soziale Umfeld – insbesondere die Familie – in die Behandlung einbezogen wird.

Eltern als wichtige Stütze
 

Eltern sind oft der wichtigste Schlüssel zur Heilung. Sie sollten Warnzeichen ernst nehmen, fachliche Hilfe suchen und ihrem erkrankten Kind mit Zuwendung, Verständnis und Geduld begegnen. Gleichzeitig ist eine offene Kommunikation, Konsequenz  und Klarheit gefordert.
 

Was in der Theorie mehr oder weniger einfach klingt, ist in der Praxis oftmals schwer umzusetzen. Viele Eltern fühlen sich mit der Situation überfordert und wissen nicht, wo sie Unterstützung finden können. An dieser Stelle setzt die familienbasierte Therapie (FBT) an, die im Rahmen der FIAT-Studie (FIAT= Familien-Basierte telemedizinische versus Institutionelle Anorexia nervosa Therapie) angeboten und wissenschaftlich überprüft wird. 

Die FIAT-Studie – ein Meilenstein für betroffene Familien in Deutschland
 

Die FIAT-Studie ist das bisher größte deutsche Forschungsprojekt zur Behandlung von Magersucht im Kindes- und Jugendalter. In Zusammenarbeit mit 20 Kliniken und zehn Krankenkassen wird untersucht, ob die familienbasierte Therapie als videobasierte, ambulante Lösung genauso wirksam ist wie die stationäre Therapie.

Was ist FBT?
 

Die FBT ist ein wissenschaftlich fundiertes, ambulantes Therapieangebot, welches für junge Menschen mit Essstörungen entwickelt wurde. Die Eltern übernehmen eine aktive Rolle in der Behandlung und werden dabei von speziell ausgebildeten Therapeutinnen und Therapeuten unterstützt, um ihrem Kind dabei zu helfen, wieder zu einem gesunden Essverhalten zurückzufinden. 

Die Therapie findet im häuslichen Setting statt, sodass die Betroffenen in ihrem sozialen Umfeld verbleiben und eine Rückkehr in die Normalität im Alltag erleichtert wird.
 

In der FIAT-Studie wird die FBT folgendermaßen umgesetzt:

  • Die FBT findet per Videositzungen statt – flexibel, alltagstauglich und auch in ländlichen Regionen verfügbar.
  • Eltern werden gezielt darin geschult, ihr Kind beim Gesundwerden zu begleiten.
  • Sollte die Behandlung nicht ausreichen, wird sie in einem sogenannten “Stepped Care”-Verfahren schrittweise intensiviert – angepasst an die individuelle Situation der Familie.


Im Zentrum der Studie stehen Gewichtszunahme, Veränderungen in Denken und Verhalten, Lebensqualität, familiäre Belastung und Kosten der gesundheitlichen Versorgung. Damit wird nicht nur die Wirksamkeit der FBT geprüft, sondern auch ihr Potenzial für eine zukünftige Regelversorgung durch die Krankenkassen bewertet.

Teilnehmende Familien gesucht


Aktuell werden noch Familien für die Teilnahme an der FIAT-Studie gesucht, die im Umkreis der teilnehmenden Studienzentren wohnen. Für betroffene Familien bietet sich hier eine echte Chance auf eine wohnortnahe, evidenzbasierte Therapie, die in enger Abstimmung mit Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten und der Familie erfolgt.


Mehr Informationen über die Studie und wie du und ihr teilnehmen könnt, gibt es auf der Projektwebsite.

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